Geschichte

Die Osteopathie ist keine neue Behandlungsmethode, im Gegenteil: Die Grundlagen der Osteopathie finden ihren Ursprung bereits im 19. Jahrhundert in den Arbeiten des amerikanischen Arztes Dr. Andrew Taylor Still (1828-1917).

 

In jener Zeit entwickelte sich die Schulmedizin zwar rasch weiter, war allerdings geprägt von reiner Symptombehandlung und immer stärker werdenden Spezialisierungen. Angespornt von dem Tod drei seiner Kinder durch Hirnhautentzündung begab sich Still auf die Suche nach einem neuen Verständnis von Gesundheit und Krankheit und damit einer «neuen Behandlungsmethode».

 

Auf dieser Forschungs- und Wanderreise gab es für ihn keine Tabus, alles wurde beleuchtet, beobachtet und einer näheren Betrachtung unterworfen. Gleichzeitig wirkte die im 19. Jahrhundert aufkommende Evolutionstheorie auf Still, womit plötzlich alles Statische eine dynamische, sich permanent verändernde Komponente erhielt. Still erkannte diesen Ansatz auch im menschlichen Körper und definierte daraufhin eines seiner ersten Grundprinzipien, dass die menschlichen Körpersysteme in direktem Zusammenhang miteinander stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Dabei standen für ihn anfangs vor allem die Auswirkungen von Knochenfehlstellungen auf die Erkrankungen bzw. Kompression der inneren Organe, umliegenden Gefässe und Nerven im Vordergrund.

 

Dass die Osteopathie für Still weit über die körperlich-medizinische Ebene hinausging, verdeutlicht eindrücklich sein Konzept des «Triunity of Man», demnach der Mensch eine Einheit ist, bestehend aus Körper, Geist und Seele.

 

Des weiteren ging Still davon aus, dass der Körper über Selbstheilungskräfte verfügt, die, wenn sie entsprechend manuell stimuliert werden, körperliche und funktionelle Störungen heilen können. In diesem Zusammenhang muss Stills osteopathischer Grundsatz «Panta rei – Leben ist Bewegung» verstanden werden, der bis heute eine zentrale Rolle in der Osteopathie einnimmt. Dabei bewegen sich nach Still alle Körpersysteme in ihrem grundeigenen Rhythmus. Ist Bewegung im Körper hingegen eingeschränkt, kann Krankheit entstehen.

 

Im Jahr 1874 behandelte Still erstmals auf seinen «Forschungswanderungen» ein Kind gemäss seiner neuen Philosophie und erzielte einen sofortigen Heilungserfolg. Der Begriff der «Osteo-pathie» (osteo = Knochen; pathei = Leiden) war für ihn geboren, d.h. über die Korrektur einer Knochenfehlstellung kommt es zur Verbesserung des inneren Leidens.

 

Nachdem «seine osteopathischen Forschungen» 18 Jahre lang gereift waren, gründete Still in Kirksville, Missouri, die erste Schule für Osteopathie. In den Folgejahren dehnte sich die Osteopathie in den USA in Windeseile aus, unzählige Schulen wurden eröffnet und Tausende Studenten strebten nach osteopathischem Wissen.

 

1917 erlitt Still seinen zweiten Schlaganfall und starb.

 

John Martin Littlejohn (1865-1947), Schüler von Still, gilt heute als der Vater der europäischen Osteopathie. Der Arzt und Pfarrer erweiterte den osteopathischen Ansatz von Still dahin gehend, dass die Osteopathie nicht nur Fehlstellungen der Knochen, sondern auch Disharmonien in sämtlichen Gewebestrukturen beheben könne. Nach seiner relativ kurzen Lehrtätigkeit in den USA entschloss er sich, nach Europa überzusiedeln. 1917 entstand unter seiner Leitung in der Nähe von London die «British School of Osteopathy», die erste Osteopathieschule in Europa.

 

Eine dritte Persönlichkeit im Rahmen der Entwicklungsgeschichte der Osteopathie ist William G. Sutherland (1873-1954). Auf Basis jahrzehntelanger Forschungsarbeiten überträgt er die Grundprinzipien Stills auf die Verbindungen der Schädelknochen und entwickelt das Konzept der kranialen Osteopathie. John E. Upledger, ebenfalls amerikanischer Osteopath, ergänzt in den 60er und 70er Jahren die kraniale Osteopathie um somato-emotionale Aspekte und legt damit die Grundsteine für die kranio-sakrale Therapie.